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Deutsche Umwelthilfe eröffnet Rechtsverfahren zur Nachrüstung oder Stilllegung von 8,6 Millionen Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro 5, 6b und 6c

22.03.2023 - Umwelt (Verkehr, Umwelt, Rechtsprechung, Auto)

Berlin (ots) -

- DUH hat beim Kraftfahrt-Bundesamt Widerspruch gegen alle vom Kraftfahrt-Bundesamt verfügten Freigabebescheide von Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro 5, 6b und 6c eingelegt - Heute veröffentlichter Bericht zu Abgastests des International Council on Clean Transportation zeigt, dass bereits bei offiziellen, amtlichen Tests 77 Prozent der getesteten Fahrzeuge Hinweise auf illegale Abschalteinrichtungen enthalten, bei 40 Prozent sind diese relativ eindeutig - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch kündigt nach der systematischen Täuschung der betroffenen Diesel-Pkw-Halter durch Hersteller und drei Bundesverkehrsminister sofortige Klageerhebungen an, sollte das Kraftfahrt-Bundesamt nicht unverzüglich reagieren

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht nach ihrem Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof vom 8.11.2022 und vor dem Verwaltungsgericht Schleswig vom 20.2.2023 nun rechtlich gegen die in allen Euro 5 und Euro 6b sowie 6c enthaltenen und bisher akzeptierten unzulässigen Abschalteinrichtungen vor. Hierzu hat die DUH bereits am 9.3.2023 Rechtsmittel gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eingelegt. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert von der Behörde, alle Diesel-Pkw der Eurostufen 5 bis 6c mit den geltenden Bestimmungen zur Abgasreinigung in Einklang zu bringen und alle unzulässigen Abschalteinrichtungen entfernen zu lassen. Betroffen sind insgesamt rund 8,6 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland.

Das Kraftfahrt-Bundesamt muss nun von den Herstellern amtliche Rückrufe für alle von Betrugs-Abgasreinigungen betroffenen Fahrzeugen veranlassen, die beispielsweise bei Temperaturen unter +10 Grad oder bei anderen typischen Fahrsituationen dauerhaft die ordnungsgemäße Abgasreinigung deaktivieren. Dies umfasst auch Fahrzeuge, die in anderen EU-Staaten typgenehmigt wurden. Denn auch für deren Rechtskonformität ist das KBA nach dem EU-Recht (VO 2018/858) verantwortlich.

Zuvor hatte das KBA im Zuge einer Musterklage der DUH wegen Abschalteinrichtungen in einem Golf-Modell vor dem Verwaltungsgericht Schleswig (3 A 113/18) eingestanden, dass bis zur Einführung der Emissionsnorm Euro 6d-Temp alle mit einer Abgasrückführung ausgestatteten Diesel-Pkw entsprechende Abschalteinrichtungen besitzen.

Die DUH hat darüber hinaus Widerspruch gegen alle vom KBA erteilten Freigabebescheide erhoben, die von den bereits laufenden Gerichtsverfahren des Verbandes zu insgesamt 118 Modellen noch nicht erfasst sind.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Über fünf Jahre hat es gedauert, bis nun auch der Europäische Gerichtshof und das zuständige deutsche Gericht dem Kraftfahrt-Bundesamt ein rechtswidriges Handeln attestieren. Verantwortlich dafür sind politische Absprachen zwischen Regierungspolitikern und den Dieselkonzernen, um diesen die Kosten für die Reparatur einer funktionsuntüchtigen Abgasreinigung zu ersparen. Die Vorstände der Dieselkonzerne und die Verkehrsminister Wissing, Scheuer und Dobrindt haben sich mitschuldig gemacht am vorzeitigen Tod vieler Tausend Menschen wegen der geduldeten viel zu hohen Stickoxid-Emissionen. In Deutschland sterben jährlich 27.700 Menschen vorzeitig aufgrund der Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid, die vor allem in Städten vornehmlich auf den Straßenverkehr zurückzuführen ist. EU-weit sind es sogar 136.000 Menschen. Trotz dieser erschreckenden Zahlen agiert das KBA als Bettvorleger der Autokonzerne und verweigert effektive Marktüberwachung. Das werden wir nun mit unseren Klageverfahren beenden."

Der Europäische Gerichtshof hatte zuletzt im DUH-Urteil vom 8.11.2022 (C-873/19) die Unzulässigkeit dieser vom Kraftfahrt-Bundesamt als "legal" bewerteten Abschalteinrichtungen bestätigt. Der Gerichtshof betont zudem in seinem Urteil, dass dies nicht nur für künftige Typzulassungen gilt, sondern auch für Modelle, die vor dem Urteil zugelassen wurden.

Remo Klinger, der die DUH als Anwalt vertritt, erläutert: "Es kann nicht sein, dass wir weiterhin um die Korrektur jedes einzelnen betroffenen Modells streiten und darüber Jahre ins Land gehen, in denen diese Fahrzeuge munter weiter ihre Abgase in die Luft blasen und Verbraucherinnen und Verbraucher um ihre Rechte gebracht werden. Das KBA und andere europäische Behörden wissen längst, wie weit verbreitet der Betrug ist und müssen nun endlich handeln. Dazu wird sie unser neues Verfahren zwingen."

Laut eines heute veröffentlichten Berichts des Council on Clean Transportation (ICCT), das behördliche Untersuchungen von Diesel-Pkw im Labor und auf der Straße in Europa ausgewertet hat, weisen 77 Prozent der offiziellen Untersuchungen "verdächtige" Stickoxid-Emissionen auf, was auf eine wahrscheinliche Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen hinweist. Bei mindestens 40 Prozent der offiziellen Tests wurden sogar "extreme" Emissionen nachgewiesen, was laut ICCT den Schluss zulässt, dass mit "ziemlicher Sicherheit" von einer illegalen Manipulation der Abgasnachbehandlung auszugehen ist. Trotz dieser zahlreichen Hinweise auf illegale Abschalteinrichtungen und trotz der mittlerweile ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofes sind weder das KBA noch andere europäische Marktüberwachungsbehörden aktiv geworden.

In der Analyse bezieht sich der ICCT auf behördliche Untersuchungen im Labor und auf der Straße, auf Straßentests unabhängiger Organisationen, darunter auch auf Tests des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH sowie auf eine umfassende Datenbank mit Remote-Sensing-Messungen, die die Emissionen vorbeifahrender Fahrzeuge erfassen.

Als Reaktion auf die Analyse haben auch Verbände in Frankreich und Großbritannien, darunter ClientEarth, die jeweils zuständigen Behörden angeschrieben und zum Handeln aufgefordert. Auch hier werden weitere rechtliche Schritte in Erwägung gezogen.

Links:

- ICCT-Bericht: https://theicct.org/publication/dieselgate-emissions-diesel-cars-Europe-mar23- Emissions-Kontrollen der DUH: https://www.duh.de/projekte/emissions-kontroll-institut/

Quelle: www.presseportal.de

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